Schein und Wirklichkeit

Es ist Mitte September 1528, seit 2 Tagen ist Kola wieder in Euth; Caracol ist mit ihr zusammen von der Burg Trenai in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. Die Erfahrungen der Schlacht, seine Verletzungen, aber auch der Mut, der ihm half, andere im Kampf zu heilen, haben Caracol verändert; Kola kann ein Leuchten in seinen Augen sehen, das es vorher nicht gab. Er verabschiedet sich herzlich, aber ohne Wehmut von Kola: „Du weißt ja, wo du mich finden kannst.“ Er umarmt Kola spontan, dann dreht er sich rasch um und stapft die Straße Richtung Tempel hinunter.

 

Mu Hada hat den Laden in den letzten Tagen geführt wie er es im letzten Jahr schon häufiger tat, wenn Kolas andere Unternehmen ihre Aufmerksamkeit beanspruchten.

Der Botendienst in der Kürzung hat sich etabliert, dank den Zuwendungen der Familie Yadale (die ihr Wort gehalten haben) wirft er in guten Monaten sogar richtig Gewinn ab, außerdem liegt in regelmäßigen Abständen ein Umschlag mit Gutscheinen, einzulösen bei den Lebensmittelständen auf dem Markt, in der Diele des Hauses., der von der Stadtwache stammt. Auch Talonario hält Wort und unterrichtet einmal in der Woche, wobei er aber Kola den Zutritt verwehrt („Das ist nichts für deine Augen!“).

Auch die Tanzschule ist ein voller Erfolg, gemessen an dem Aufwand, der für Kola eher gering ist, fast kann man es eher ein Freizeitvergnügen betrachten, denn es gibt unter den Naithar genug begnadete Tänzer, die an einem Abend den Unterricht oder den Vortanz übernehmen. Das Geld, dass sie für die abendlichen Stunden einnimmt geht zum größten Teil in die Renovierung des Hauses, doch auch hier bleibt ein wenig Geld übrig.

Die Zeitung hingegen macht Kola immer wieder Ärger, es vergeht kein Monat, in dem nicht Morddrohungen gegen sie ausgesprochen werden (auch wenn kein ernstzunehmender Anschlag erfolgt); zwar ist die Auflage im letzten Jahr stetig gestiegen, doch verlangen Drucker und Priester ab und an mehr Gold und es hat sich im letzten halben Jahr eine weitere Zeitung, der „Euther Bote“, in der Stadt breit gemacht. Seine Themen sind weniger politischer als vielmehr gesellschaftlicher Natur, es gibt Rezepte, Bekanntmachungen, Hochzeitsankündigungen und seine Auflage steigt.

Ab und an bittet Aulaga Kola auf einen kleinen Drink zu sich, immer hat sie ein kleines Gerücht für Kola, im Gegenzug bittet sie Kola meist darum, eine Information zu überbringen, das eine Mal persönlich, das anderen mal über die Botenjungen, doch nie erfährt Kola in diesem Jahr, warum Aulaga dies wünscht.

Den jungen Hengst Orgulo, den sie geerbt hat, hat sie Acabars Tochter geschenkt.

Alle Vierteljahr hält Kola einen Naitharischen Markt mit Reiten, Bogenschießen, Tanzen Panas und auch Verkauf vor der Tanzschule ab; sie hat das Haus neben ihrem Laden gemietet, die Besitzer wohnen weiterhin im 1.Stock, die Druckerei von Narro zieht in den Laden und Kola bringt eine weitere Zeitung heraus, den „Der Göttliche Weg“. Dazu werden Priester interviewt und zwischen viel Werbung kann jeder Priester seine Weisheiten loswerden. Dazu fromme Sprüche, Aktuelles aus Tempel und Gemeinden, ein paar Ritterordengerüchte und schwupdiwup beim Tempel einen Jungen hingestellt.

Mu Sol, Kolas Bruder, eröffnet an der Rampe einen kleinen Stand und verkauft belegte Brote.

Geswin, der sich in Kola verliebt hat, versucht durch kleinere Diebstähle ihre Aufmerksamkeit zu erregen, doch vergebens.

 

Kola erfährt über Geswin von dem Gerücht, Achispado Teasi wolle von seinem Amt als Leiter der Paladinschule zurücktreten. Kaum hat sich Kola mit Achispado getroffen ruft der Baumeister sie zu sich und will wissen, was der Trupp plant. Achispado hat seinen Freund Imrao, seine Schwester Tarua und seine Schwägerin Charia auf seiner Seite, zusammen mit Kola wollen sie herausfinden, wohin und warum Alkoll vor drei Monaten verschwand.

Alkoll gilt als einer der Helden der Schlacht um Euth, der seine versprengte Einheit zusammenrief und den Chuor ein ums andere Mal in die Seite fiel, obwohl er selber schwer verletzt war. Doch Tarua berichtet, dass in Wirklichkeit ein Wesen ihm anbot, ihn zu heilen, seine Truppe zusammenzurufen und ihnen den Mut zu geben, den Kampf fortzusetzen. Für sein Wort, sein Leben zu geben, wenn es ihn riefe. Alkoll selber glaubte, er sei dem Weißen Reiter der Naithar begegnet. Achispado berichtet noch, dass seitdem Alkolls Gesinnung nicht mehr zu erkennen war, er schliefe schlecht, fast nie, manche Nahrungsmittel vertrüge er nicht mehr.

Gemeinsam mit Geswin und Alkolls Knappen Titian brechen sie zu dem letzten Treffpunkt Alkolls auf; ein Gasthaus in Zawenfurt. Der Wirt Rufgor wirft Alkoll vor, seinen schwerverletzten Sohn getötet zu haben; sie exhumieren die Leiche, doch können nichts Außergewöhnliches feststellen. Am Morgen sucht Titian Alkoll, Geswin verfolgt ihn und muss mit ansehen, wie Alkoll Titian angreift, er berichtet Kola davon als sich Alkoll vor ihnen materialisiert: ein Mann, Hügelstätter, hager, die Augen liegen tief in den Höhlen, sein Blick beängstigend gefühllos, die Haare blond, fast weiss, die Haut eigentlich gebräunt, doch seltsam durchscheinend. Er sagt, er habe einen Auftrag zu erfüllen und deutet auf Geswin, kurz bevor er angreifen kann aktiviert Kola ihre Rune und die beiden teleportieren zum Baumeister.

Der Baumeister verspricht Kola, ihr zwei Ritter zur Unterstützung mitzuschicken, er verrät ihr auch, allerdings unter Androhung der Verbannung, sollte diese Information bekannt werden: „Ich weiss um Alkolls Status als Untoter, er gehört in dieser Eigenschaft meinem Ordenszweig an und hat bereits viele heikle Aufgaben für mich übernommen, dass er nun anscheinend einem fremden Willen gehorcht gefällt mir ganz und gar nicht und würde Tarua nicht so sehr an ihrem Bruder hängen, so hätte ich ihn bereits gestoppt. Für sie - und nur für sie - habe ich ihn agieren lassen, doch nun ist es vorbei. Die beiden Männer, die euch begleiten werden, haben nur eine Aufgabe - ihn zu töten.“

Kola besucht noch den Schrein des Natamas, sie bekommt hier weitere Informationen über den Weißen Reiter, einen Stein, der sie vor Bösen schützt und einen weiteren, der Teleports verhindert. Im Gegenzug wird sie dem Schrein ein paar Gefälligkeiten leisten.

Mit Viraz und Zelo, den beiden Ordensmitgliedern, werden sie auf die Lichtung teleportiert, auf der sich die anderen um Titians Leichnam versammelt haben. Zelo meint noch: „Alkoll ist nicht wie sein Bruder, er ist sehr von sich . . . überzeugt. Nun, manche glauben, er sei nicht ganz unverschuldet in dieses Dilemma geraten und sollte seine Schulden auch bezahlen." Kola berichtet, was sie über Alkoll herausgefunden hat als er auch schon auf der Lichtung materialisiert. Er sagt, der weiße Reiter kam zu ihm und habe den unbändigen Willen erkannt, in dieser Schlacht zu weiterzukämpfen. „Ich konnte es einfach nicht ertragen, dort zu sterben, von meiner Einheit verlassen, ohne jemals wissen zu dürfen, ob Euth überlebt." Später, als Amabeas Ruf erklang, habe er ihn ignoriert, noch so viele Aufgaben würden auf ihn warten, er könne noch nicht gehen: „Achispado hat die Schlacht unverletzt überlebt, dabei hätte ich derjenige sein sollen, der überlebt.“ Mentir habe ihm versprochen, er behalte seine Fähigkeiten, wenn er sich bewähren würde, sein Aufgabe sei es, Titian und Achispado zu bringen, denn wenigstens dieses Mal wolle er sein Wort halten. „Ich habe ihnen stets angeboten, eine Existenz jenseits der Begrenztheit des Lebens zu führen, erst bei Titian bekam ich den Befehl, ihn auch gegen seinen Willen zu holen, aber ich tötete ihn! Meine Worte der Gnade wirkten nicht . . ."

Er greift Imrao und Achispado an, doch dann halten ihn Zelo und Viraz auf; ihre mit Gift versehenen Waffen treffen den Untoten, schwer verletzt bittet er darum, noch einmal das Lied „Der Untergang der Sterne“ zu hören, er flüstert: „Damals auf dem Schlachtfeld habe ich dieses Lied so oft gehört . . . so viele Euther . . . doch nie das Ende." Charia kniet bei ihm als er sich sein Schwert in die Brust stößt.

In dem Moment erscheint eine weitere Gestalt am Rande der Lichtung, eine hochgewachsene Gestalt, ihre spitzen Ohren deuten auf einen Elf hin, wären dort nicht die schwarzen, Rabenschwingen gleichenden Flügeln. Seine Augen glänzen, selbst auf die Entfernung hin, in einem gefährlich schimmernden Perlenglanz und wirken alles andere als menschlich. "Was habt Ihr mit meinem Diener gemacht?" Eine leise, fast höfliche Stimme. Kola teleportiert die Verletzten mit Geswin und Tarua nach Euth. Er macht sich auf, Alkolls Körper von der Lichtung zu ziehen, um ihn wiederzuerwecken, doch Zelo, Viraz und Kola greifen ihn an, so dass Charia Gelegenheit erhält, Alkolls Körper zu verbrennen; gemeinsam gelingt es ihnen, den Dämon zu töten. Kurz darauf erscheinen ein halbes Dutzend Ritter auf der Lichtung, angeführt von Alazo Kilian.

Kola kehrt zurück nach Euth, sie berichtet Aulaga von den Ereignissen, die Alte gibt ihr eine Schriftrolle mit, die sie gegen den Baumeister einsetzen könnte, doch sie übergibt sie verschlossen an Prokion. Dieser verbannt sie für drei Monate aus der Stadt, doch bedankt sich bei Kola für ihren Einsatz; Imrao und Titian sind tot, Viraz und Achispado haben die Angriffe Alkolls überlebt.

Geswin, der sich mit Titian angefreundet hatte, trifft die Nachricht schwer, auch, dass Kola die Stadt für drei Monate verlassen muss.

Doch erst gibt Kola ein kleines Fest und viele kommen, auch Achispado und Zelo. Der Paladinlehrer verbeugt sich vor ihr: "Ich danke dir für deinen Einsatz, der unser Leben schützte, wenn nicht rettete, im Namen meines Bruders, den du nicht kanntest und trotzdem mit deinem Leben verteidigt hast. Ich danke dir im Namen Imraos, der nun nicht umsonst starb. Ich stehe tief in deiner Schuld." Dann richtet er sich wieder auf, sein Blick zeigt, wie ernst ihm seine Worte waren. Aber es scheint, dass er Vergangenes ruhen lassen kann um Neues zu beginnen. Er lächelt Kola noch einmal zu und mischt sich dann unter die Naithar, von denen er offensichtlich viele mit Namen kennt. Charia schickt eine Nachricht: „Sagt mir bitte, falls Ihr für die kommenden Monate noch Unterstützung benötigt.“

 

Imrao, Titian und Alkoll werden am selben Tag zu Grabe getragen; und wenn es sonst nicht üblich ist, dass die Trauernden den Leichenzug begleiten - sondern in den folgenden Tagen und Wochen alleine, wenn sie sich der Trauer gewachsen fühlen, das Grab aufsuchen - so ist dies am heutigen Tag anders.

Als der Priester des Amabea die Glocke schlägt und den letzten Gang zum Friedhof am westlichen Hang ankündigt, begleiten die Familienangehörigen schätzungsweise dreihundert Menschen; immer wieder wird Kola erkannt, ihr schweigend auf die Schulter geklopft oder die ersten Worte der Totenrede als Begrüßung und Anerkennung geschenkt.

Und am Ende des Tages sind die Grabplatten mit den kleinen Steinen der Trauer so überhäuft, dass sie Pyramiden bilden.

 

Zwei Tage später ist alles gepackt und sortiert und erledigt und Kola verläßt Euth in Richtung Süden, zu den Naitharn der Täler.